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Ewig gültiges Wissen in neuer Form:

Ken Wilber zur Konferenz "Unity in Duality - Tendrel"
"Unity & Duality, Einheit & Dualität, sind Begriffe der östlichen Weisheitstraditionen, vielschichtig in ihrer Aussage und daher oft missverstanden. Sie stehen für das Eine & die Vielen, das Absolute & das Relative, für Leere & Form, nirvana & samsara. In seiner letztendlichen Bedeutung nimmt Unity Bezug auf die Erfahrung des unveränderlichen, ewigen, geistigen Urgrunds jenseits von Raum und Zeit, den Bewusstseinszustand jenseits des Denkens und der Begrifflichkeit, den wir Erleuchtung nennen, während Duality sich auf die Welt der Erscheinungen, der Form, der manifesten Wirklichkeit bezieht, die einer ständigen Veränderung unterworfen ist. In den vergangenen Jahrhunderten strebten die meisten spirituellen Schulen als höchstes Ziel die Erfahrung der Einheit an. Dabei wurde die Welt der Erscheinungen zumeist als "Illusion" abgewertet.

Die moderne Spiritualität indessen bemüht sich um eine integrale Sichtweise. Sie zeigt auf, dass Einheit und Dualität unlösbar miteinander verbunden sind. Einheit und Dualität stehen sich nicht als Gegenpole gegenüber, sondern bedingen sich gegenseitig. Aus dem Einen Geist geht die Vielfalt der Form in stetiger Veränderung hervor, und wir sind es, die diese Wirklichkeit kontinuierlich neu miterschaffen: durch unsere Gedanken und Gefühle, durch unser Handeln, durch unser Bewusstsein, das sich im Laufe der Evolution immer weiterentwickelt.

In einer Welt wie der heutigen, deren Zerstörungspotential das bisherige Fundament zum Wackeln bringt, genügt es nicht mehr, sich in eine Höhle zurückzuziehen und im Zustand der Erleuchtung zu verweilen. Mehr denn je kommt es heute darauf an, "Unity in Duality" zu üben. Dies geschieht, indem wir uns nach Innen wenden, um das Bewusstsein der Einheit zu erlangen, und es von dort hinaus tragen in die Welt. Es gilt, dieses Bewusstsein in die K ultur einzubetten, es in der Natur zu verkörpern und in der Gesellschaft zu verankern. Auf diese Weise können wir dazu beitragen, eine neue Wirklichkeit zu erschaffen; eine Wirklichkeit, in deren Vielfalt und Unterschiedlichkeit sich die alles verbindende Einheit stets aufs Neue widerspiegelt.

Ken Wilber ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Vertreter der Integralen Philosophie und Spiritualität. Sein Ansatz umfasst die Geistes- und Naturwissenschaften ebenso wie die Psychologie und das universelle Wissen der Weisheitslehren. In den letzten Jahren entwickelte er ein integrales Modell, mit dessen Hilfe sich das ewig gültige Wissen, auch philsophia perennis genannt, auf alle Lebensbereiche anwenden lässt.

In Denver, Colorado sprach er mit Anne Devillard, die den Kongress moderiert, und Dr. phil. Christina Kessler, Autorin des Buches "Amo ergo sum. Ich liebe, also bin ich" über seine Sicht von "Unity in Duality".

"Einheit und Dualität sind gleichermaßen bedeutsam für eine integrale Sichtweise. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Selbst wenn wir, im klassischen buddhistischen Sinne, eine profunde Erfahrung des nirvana haben, des Verlöschens des Manifesten, des Aufgehens im Formlosen, durch das wir grenzenloses, formloses Bewusstsein erlangen; selbst wenn wir in diesen Zustand willentlich eintreten und dort 24 Stunden am Tag verweilen können, müssen wir diese Bewusstseinsebene - und die Praxis, die dorthin führt - in der Welt des samsara, der Welt der Dualität oder der Welt der Form zum Ausdruck bringen. Dies kann nur in der Welt der Manifestation geschehen. Aber diese manifeste Welt der Form, wie wir sie kennen, ist einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen. Sie unterliegt dem Prinzip der Evolution. Als Gautama Buddha Erleuchtung erlangte, den Zustand der Einheit, geschah das zu einer Zeit, in der die Welt der Form völlig anders aussah als heute. Heute ist die Welt der Form mannigfaltiger und sie entwickelt und entfaltet sich immer weiter. So muss sich die Erleuchtung in gewissem Sinne in der Welt der Form, die sich ständig verändert, widerspiegeln. Es geht also darum, beides in einem integralen Bewusstsein zu vereinen und auch zu verkörpern. Ich nenne dies "incarnational nonduality". Und das ist gleichzeitig evolutionäre Erleuchtung. Das Formlose verändert sich niemals, Leerheit ist Leerheit, zu allen Zeiten und in jedem Augenblick. Aber die Welt der Form ist in ständiger Wandlung und Entwicklung begriffen. Die Leerheit, die Gautama Buddha vor 2000 Jahren erfuhr, ist die gleiche Leerheit, wie wir sie heute auch erfahren. Das Unwandelbare ist und bleibt das Unwandelbare, das Absolute ist das Absolute, das Formlose das Formlose. Aber unser Hohes Selbst drückt sich in der Welt der Form aus, gerade hier und gerade jetzt. Dies ist unsere eigene Manifestation. Und diese Manifestation unterliegt dem Wandel und der Evolution. Deshalb müssen wir die Wahrheit in der relativen Wirklichkeit durch Kunst, Ethik und Wissenschat wüdig en. Dadurch können wir unsere Entwicklung hin zum Formlosen, hin zur Leerheit, die unsere eigene Transparenz darstellt, unterstützen, denn wir sind all das zusammen. So gesehen kommt nicht die Einheit zuerst, vor der Dualität. Es ist vielmehr ein faszinierender Tanz zwischen Leerheit und Form. Wie er sich vollzieht, ist ein Mysterium.

Aber diese Vereinigung, diese geheimnisvolle Vereinigung, die unio mystica, ist genau das, was integrale Spiritualität ausmacht. Wir bleiben in der Leerheit und umarmen gleichzeitig die Welt der Form, wie sie im Augenblick entsteht. Und dies verändert sich ständig. Wollen wir so integral wie möglich sein, so müssen wir beides vereinen - und durch unser Leben zum Ausdruck bringen."

Literaturempfehlung

Ken Wilber
Eros, Kosmos, Logos.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main. 2001.

Ken Wilber
Integrale Psychologie.
Geist, Bewusstsein, Psychologie, Therapie
Arbor-Verlag, Freiamt. 2001

Ken Wilber
Ganzheitlich handeln.
Eine integrale Vision für Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Spiritualität
Arbor-Verlag, Freiamt. 2001

Christina Kessler
Amo ergo sum. Ich liebe, also bin ich.
Selbstrealisation - Der Weg in eine neue Wirklichkeit.
Arbor-Verlag, Freiamt. Erscheint am 1. Oktober 2002

Von Ken Wilber